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Erläuterungen zum Bild „Der Verlust“
57 x 83 cm 2.7.1989
Gefahr
sehe ich insofern auf meine Materialbilder zukommen, dass sie aus dem Bannkreis
von Spurensicherung, Individueller Mythologie und Strukturalismus in ein kunstkritisches
Mahlwerk hineingeraten, welches sie zusammen mit Dada (Schwitters),
Akkumulation (Spoerri), Pop Art (Rauschenberg), Objektkunst (Duchamp) und
Fiktion (Boltanski) , vermischt mit dem Kunsthandwerk der Kunstschlosser und
-schmiede und ähnlich zusammengefügter oder -geschweißter Plastiken (z.B. eines
Miro oder eines Luginbühl), zu einer Backmischung zerkleinern, mit dem
Stabilisator Ästhetik, dem Triebmittel Provokation, dem Regulator Egomanie und
dem Emulgator Narration mixen könnte, um daraus widerwärtige Kunstbrote zu
backen.
Um
dies zu vermeiden, wird nochmals betont, dass es sich hier um die erste
Verarbeitung eines im Sommer 1989 beginnenden Ablösungsprozesses von einer (Bo
genannten) Freundin handelt. Die Ästhetik einer harmonischen Komposition wird
vielleicht auf den ersten Blick als überbetont bewertet, ergibt sich aber aus
der Themenstellung „nach einer einfachen Regel“ (D. Elger, S.70): >Komposition
ist, wenn die Hauptperson in der Mitte steht<“(G. Richter in D. ELGER: „Gerhard
Richter, Maler.- 367 S. (S.70); (DuMont) Köln 2002).
Die
zentrale Figur scheint eine königsähnliche Gestalt zu sein, deren Purpurmantel
bereits etwas abgenutzt wirkt, über 2 „goldenen“ (Messing)Verschlüssen stehend,
die ihren Zweck, Geldtruhen oder Geheimfächer zu sichern, nicht mehr erfüllen,
da die Schlösser fehlen. Alle 3 Objekte sind auf einem vierkantigen Holzstück
angebracht, das mit einigen rostigen Nägeln versehen ist und somit an eine
Nagelstatuette (nkisi) mit ihren Vertragsnägeln erinnert (s. Bilderläuterung
zu „Santiago“). Wie auf P. Bruegels Ölbild „Landschaft mit Ikarussturz“ die
Beine des ins Meer gestürzten Ikarus kaum bemerkt werden, so ist auch die
rechteckig-prismatische Aussparung im oberen Abschnitt des Vierkantholzes
leicht zu übersehen. In dieser Nische oberhalb
des rotgekleideten „Königs“ fehlt offenbar jetzt etwas, das früher da
war, daher der Bildtitel „Der Verlust“.
Der
„König“ thront inmitten seiner „Burg“ aus Eisenteilen, die im Laufe der Jahre
1986-89 bei Spaziergängen, Wanderungen und Fahrten aufgesammelt worden waren.
Türschlösser, Riegel und Haken weisen auf das bisherige Bestreben hin, Besitz
zu erwerben oder zu vergrößern, auf die Bemühungen um Haus und Garten, der
obere Abschluss eines Briefkastens auf die Erwartung, den Kontakt zur Umwelt zu
halten oder sogar zu verbessern. Das im oberen Bildabschnitt dominierende
verrostete Eisenrohr, als Doppelschleife unverändert dem Fundort (Bahndamm am
Bhf. Chausseehaus, Wiesbaden) am 15.5.1989 während eines gemeinsamen
Spaziergangs entnommen, erinnert an zwei P-förmige, miteinander vertraute Gestalten, aber auch an
das Auf und Ab eines achterbahnförmigen Verlaufs der Jahre mit Bo, an den
plötzlichen Aufstieg aus dem Bereich einer undurchschaubaren Maschinerie, an
den schwindelerregenden Höhenflug und den Abbruch auf ein zunächst in seiner
Bedeutung unerklärliches, rechteckiges, mit zwei Seitenflächen versehenes,
dünnen Eisenblech, auf dem in der Mitte ein
„Schwarzen Loch“ erkennbar ist. Mir ist erst ein Jahr nach Fertigstellung des Bildes -- bei einer
launenhaften parapsychologischen Betrachtung, unterstützt von einer Information
aus Frankfurt -- eine verblüffende Kongruenz zwischen dem zuletzt beschriebenen
Eisenteil und der im Sommer 1990 eingetretenen Realität aufgefallen. Bei
metaphorischer Ausdeutung hatte ich den Eindruck, zum ersten. Mal in meinem
Leben dem sozialwissenschaftlichen Phänomen der self-fullfilling prophecy
begegnet zu sein, wie gewöhnlich war es aber nur der pure Zufall.
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