Erläuterungen zum Bild „Phoenix trifft Charon“

   38 x 40 cm       31.7.1996

Phoenix, ein heiliger Vogel der altägyptischen Mythologie, wurde als Reiher dargestellt und galt als „Sinnbild des durch den Tod sich erneuernden Lebens“ (BROCKHAUS  ENZYKLOPÄDIE 1972). „ Dieser Bezug zu stets wiederkehrender Erneuerung wurde von. Griechen, Römern u. schließlich den christlichen Kirchenvätern..... umgedeutet zu dem weitverbreiteten Symbol des Vogels, der sich nach bestimmten Zeitabständen.....selbst verbrennt und erneuert aus der Asche aufsteigt“ (HERDER LEXIKON: Symbole.-192 S. (S.126); ( (Herder) Freiburg 1990). Dieser Auferstandene, der Bildermacher selbst, der sich nach etwa 3 Jahren (s. „Ich mache mich auf den Weg“ vom 28.11.1994)  erneuert hat („Er bleibt 3 Tage tot (die Zeit, da kein Mond scheint)“ und erhebt sich am dritten Tage wieder aus der eigenen Asche“ (J. C. COOPER : Illustriertes Lexikon der traditionellen Symbole.-239 S. (S. 140); (Seemann) Leipzig 1986), besteht aus eisernen Objekten, die bei den bereits oft  zitierten Spaziergängen auf dem Rheinhöhenweg  und seinen Seitenwegen zwischen Nackenheim und Nierstein gefunden wurden und mit der für das dortige Rotliegende (Sand-, Schluff- und Tonsteine des Unterperms) typischen rotbraunen Patina überzogen sind. Das gilt auch für den Kopf Charons, einer etwas verwinkelten, runden Stahlscheibe. Sie diente als Anker, der, an einem eisernen Stab befestigt, vor dem schrägstehenden Endpfosten einer Weinreben-Zeile im Boden eingegraben wurde. Mit Draht  wurde dann der Stab mit dem oberen Ende des Pfostens verbunden, um diesen zu stabilisieren und die 4 Drähte der Zeile in Spannung zu halten.

Der restliche Korpus Charons wird von einem Bombensplitter eingenommen, den ich am 6.6.1996 inmitten der Weinberge östlich von Rüdesheim auf einem in Richtung Johannisberger Schloss führenden Feldweg gefunden hatte. Die Landschaft zwischen Niederwalddenkmal, Rüdesheim und Johannisberg  wurde in den letzten Kriegsmonaten von dem alliierten Bombenterror häufig heimgesucht, besonders am 25.11, 1944, als Rüdesheim 199 (? 212) tote Zivilisten, darunter 11 Kinder, zu beklagen hatte (D. BUSCH: Der Luftkrieg im Raum Mainz während des Zweiten Weltkriegs 1939-1945.- 402 S. (S.202, 207); (v. Hase & Koehler) Mainz 1988). Schloß Johannisberg war schon am 13.8.1942 durch Phosphorbomben in Brand gesteckt worden (H. LEIWIG: Flieger über Rheinhessen. Der Luftkrieg von 1939-1945.- 218 S. (S. 39); Rheinhessische Druckwerkstätten) Alzey 2002).

Der stählerne Ring umschließt ein Areal, aus dem kein Laut herausdringt, so dass auch niemand erfahren kann, was zwischen Phoenix und Charon besprochen wird. Man könnte sich vorstellen, dass sich Phoenix bei dem mit moderner Elektronik ausgestatteten Charon  nach Eurydike umhören will,  so dass dieser  über den Grenzfluss Acheron hinweg mit Hades Kontakt aufnehmen könnte, um etwas über  ihr Befinden zu erfahren. Orpheus konnte er nicht mehr befragen, denn der war  inzwischen von orgiastischen Mainaden in Stücke zerrissen worden (R. v. RANKE-GRAVES: Griechische Mythologie. Quellen und Deutung.- re 404; 758 S. (S. 98, 99); (Rowohlt) Reinbek bei Hamburg 1985). Oder er bittet den Fährmann um Auskunft über die Tragik der Situation, als es Orpheus erlaubt worden war, Eurydike aus dem Totenreich  zu holen, er sich aber beim Aufstieg aus der Unterwelt entgegen dem Gebot  Plutos und Proserpinas nach ihr umdrehte, bevor sie die Oberwelt erreicht hatten, “sei es aus Liebe, sei es aus Angst (weil er hinter sich keinen Schatten sieht)“ (G. S. KIRK: Griechische Mythen. Bedeutung und Funktion.- re 444, 312 S. (S. 163); (Rowohlt) Reinbek bei Hamburg 1987), so dass sie wieder in die Unterwelt zurück  musste.  Es könnte aber auch sein, dass der Fährmann darüber berichtet, was H. JENS (Mythologisches Lexikon.- Tb 490, 174 S (S. 72); (Goldmann) München 1958) vermutet: „Er hörte sie aber nicht folgen und sah sich daher um“. Welche Version auch immer, es sieht jedenfalls ganz danach aus, dass sich Phoenix bei Charon, der es noch am ehesten wissen müsste, über Eurydike und über die bedauernswerten Umstände ihrer Rückkehr in die Unterwelt informieren will.