Erläuterungen zum Bild „Hemingway“

   64,5 x 95 cm      14.8.1991

Nach „Sigismund Rüstig“ (Kapitän MARRYAT.- 381 S., 1 Karte, 21. Auflage;(Teubner) Leipzig, o.J.) und Karl Mays Erzählungen war es nach dem Krieg Mode, sich  realeren Erlebnissen, u.a. von E. Hemingway, zuzuwenden, die dann jahrelang Teil meiner Literatur wurden. Bei der Suche nach verwilderten Süß- und Sauerkirschbäumen hatte ich  in Rheinhessen 1,5 km südöstlich Gundersheim inmitten der ehemaligen Kalksteinbrüche „Rosengarten“ und „Gewerkschaftsbruch“, in denen ich seit Jahren bei sommerlichen Bodenkunde-Exkursionen jungtertiäre Roterde-Böden  vorführte (wie sie in den Ländern um das Mittelmeer verbreitet sind), eine zentrale, mittlerweile überdeckte Mülldeponie gefunden. Am 7.07.1991 lag dort in Sichtweite, etliche Meter vom Eingang entfernt, das stark verrostete, 51 x 86 cm große, 3 - 5 mm dicke Eisenblech, an dem ich schon von weitem sofort erkannte, dass ich es für eine Darstellung Hemingways verwenden könnte. Da beide Gitter-Tore – es war Sonntag -- verschlossen waren, zwängte ich mich in einer Fahrspurvertiefung unter einem durch,  um  an das Blech zu gelangen.

Ich hatte jahrelang die Kurzgeschichten und Romane Hemingways gelesen und erinnere mich noch deutlich an das „ausgedörrte und gefrorene Gerippe“ eines Leoparden  auf dem Westgipfel des Kilimandscharos, über das ich in einem Schulaufsatz 1950/51 tiefsinnige Bemerkungen gemacht hatte. Ich war besonders erfreut über die gelben, schwarzen und braunen Rostflächen, die an die Savannen Ostafrikas erinnerten, wie ich sie in Filmen, Biografien, Bildbänden und Luftbildern gesehen hatte. Ähnliche Landschaften entdeckte und erforschte ich in Rheinhessen, nach dem ich am 23.07.1971 ein mehr als faustgroßes Stück Laterit westlich neben der Gaustraße, 2,25 km nördlich von Westhofen, in obermiozänem Sand unter einer Lössdecke gefunden hatte, was besagte, dass Rheinhessen gegen Ende des Miozäns auch  Savannengebiet gewesen war. Am 25.06.1973 hielt ich in Frankfurt meine Antrittsvorlesung über solche rheinhessischen Laterite (die damals, nach dem Stand der Forschung, noch in die etwas jüngere Zeit des Pliozäns gestellt wurden).

Laterite sind tiefgründige tropische Böden, die im oberen Profilabschnitt  nach oben zunehmend vererzt sind und oft mit einer mehrere Meter dicken gelben, braunen, schwarzen und roten,  blasigen oder schlackigen, löcherigen Kruste abschließen, die aus Eisen-, Mangan- und/oder Aluminium-Erzen besteht. Reste solcher Krusten entdeckte ich in den 70 Jahren  während monatelanger Geländebegehungen an vielen Stellen Rheinhessens. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts waren sie an einigen Stellen in Tagebauen abgetragen worden, aber wegen hoher Quarzanteile hatte sich  die Verhüttung auf Dauer  nicht gelohnt. An afrikanische Savannen erinnernde Landschaften findet man -- falls sie nicht unter Schwemmsedimenten, eiszeitlichem Schutt oder Löss verborgen sind -- auf den sargdeckelförmigen Tafelbergen (Plateaus) Rheinhessens, gelegentlich noch  Krusten tragend, häufiger aber übersät mit erbsen-, bohnen- und walnussgroßen, eckigen und gerundeten Erzbrocken. Geologen wie die Bevölkerung sprechen dann von „Bohnerzen“, die oft schön anzusehende, dünne, braune und schwarze, glänzende, an „Wüstenlack“ erinnernde Oberflächen haben. Auch die in die hügelige Landschaft eingestreuten Gebüsche und Wäldchen mit  Robinien-Bäumen und -hecken (Robinia pseudoacacia) und das oft heiße Klima Rheinhessens erinnern leicht an  mit Akazien bestandenen Savannen Afrikas. Vor allem gilt das für das Plateau des Wester Berges, 4 - 5 km südlich  von Ingelheim zwischen Schloss Westerhaus und dem Schnarr-Wäldchen.

Die typischen Savannenfarben und die eintönige Ebene  des Blechs sollten zentraler  Teil der Darstellung sein, die am oberen und unteren Rand sichtbaren Löcher („Fehlstellen“) an seine zahlreichen Frauen und Freundinnen erinnern, und das nach hinten eingerissene und umgebogene, beachtlich große Blechstück an den  Selbstmord (2.07.1961)  mit  Hilfe seines Jagdgewehrs, die unten links und rechts aufgebogenen Blechecken an die Vergänglichkeit von Literatur, von Papierseiten, die sich wölben, und drohen, verweht zu werden. Ich selbst habe mich 1992 von Hemingway distanziert, nachdem ich (leider viel zu spät) in seinem Brief vom 28.08.1949 an seinen Verleger Ch. Scribner lesen musste, dass er gegen Ende des 2. Weltkriegs an der Westfront einen gefangenen deutschen SS-Mann -- eindeutig entgegen der Regeln der Genfer Konvention -- mit 3 Schüssen in den Bauch und 1 in den Kopf getötet hatte, weil der Gefangene ihm nicht „Fluchtwegsignale“ nennen wollte (H. BAKER (Hrsg.): Ernest Hemingway. Ausgewählte Briefe 1917 - 1961.- 639 S. (S. 456); (Rowohlt) Reinbek 1984).