Erläuterungen zum Bild „Elefantenhaus mit Ausblick“

   57 x 83 cm      21.1.1990

Das stark verkrustete, mit Eisenoxid- und Kalkausfällungen überzogene „Elefantenhaus“ fand ich im Sommer 1989 in Frankfurt am Boden einer Baugrube östlich neben dem Westend-Platz, einem kleinen Park mit Bäumen, Hecken, Rasen und Bänken. Ich verbrachte hier manchen Nachmittag, um Seminarreferate, Praktikumsprotokolle, Übungsberichte und Diplomarbeiten zu korrigieren, da er nur wenige Minuten von meinen damaligen Diensträumen in der Arndtstr. 11 entfernt war. Er ist in den letzten Jahren umgestaltet worden und erinnert kaum noch an den alten vertrauten Zustand.

In der sich anschließenden Westendstraße befand sich die Konditorei Gruber, ein kleines Café mit dem seltsamen Namen CAFÉ CHEN, in dem ich mich im Jahr 1987 gelegentlich mit meiner Freundin Bo getroffen hatte. Ich erinnere mich, dass ich beim ersten Treffen glaubte, es handele sich um ein chinesisches Café namens Chen, denn ich kam nicht sofort auf die Idee, dass nur das Diminutiv gemeint war, weil auf dem Hinweisschild am Straßenrand die Silbe CHEN unter dem Wort CAFÉ stand. Chen schien mir ein  gutes Omen zu sein (falls man das Wort mit fallender Betonung  ausspricht): Chèn rè dě tiě -- Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Allerdings steht es auch für ca. 80 andere Bedeutungen, wobei nicht nur die Betonung, sondern auch der begleitende Text entscheidend ist. Es kann z.B. Kostbarkeit, zusammenpassen, aber auch Gestirn, untergehen oder Zeit bedeuten.

Im Winter 1990 befand ich mich trotz aufmunternden Zuspruchs und Rats des „Fährmanns“ in einer (im Rückblick erstaunlich richtig eingeschätzten) mentalen Sackgasse. Was die Grundstimmung angeht, die das vorliegende Bild auszudrücken beabsichtigt, kann sie nicht besser als von V. v. Gogh umschrieben werden, der ja bereits bei der Erläuterung von „Selbstbildnis 1990“ bemüht worden war (Text jedoch in anderer Übersetzung): „Es sind  endlos weite Kornfelder unter trüben Himmeln, und ich habe den Versuch nicht gescheut, Traurigkeit und äußerste Einsamkeit auszudrücken“, sein Kommentar vom Juli 1890 zu einem seiner letzten Ölgemälde „Weizenfeld mit Raben“, eins meiner höchst geschätzten Bilder der gesamten Kunstgeschichte (J.F. WALTHER, R. METZGER: Vincent van Gogh. Sämtliche Gemälde.- Bd.2, 740 S. (S. 681); (Benedikt Taschen) Köln 1989).

Die depressive Situation wird im vorliegende Materialbild durch ein am 7.1.1990 auf einer Müllhalde NW von Weinheim (W von Alzey) gefundenes Eisenblech vermittelt, das vom „Elefantenhaus“ nur durch eine kleine zylindrische Öffnung im Eisenblechring, der das Gehege umgibt, eingesehen werden kann, und die einzige Möglichkeit eines Ausblicks ist. Das Blech nimmt die gesamte obere Bildhälfte ein und ist stark verrostet, mit schwarzen Mangan- und rotbraunen, braunroten, seltener ockergelben Eisenoxiden überzogen, außerdem verbogen, zerkratzt und zerknittert, wodurch -- wie beabsichtigt -- der Eindruck einer trostlosen und unwirtlichen, wenn nicht sogar unbewohnbaren Landschaft entstehen sollte.

Den Gedanken an ein Elefantenhaus hatte ich durch die häufigen Berichte über Hospitalismus bei in Gefangenschaft gehalten Tieren, so wie ich es auch in den Jahren 1966-81 in einigen Krankenhäusern  bei  Kindern auf den Kinderstationen beobachtet hatte. Zu Elefanten hatte ich eine besondere Beziehung, seitdem mir mein ältester Sohn am 13.7.1966, damals 8 Jahre alt, eine außergewöhnlich beeindruckende,  schwarze Hartholzskulptur eines afrikanischen Elefanten zu meinen Promotionsprüfungen in Geologie und Mineralogie geschenkt hatte. Den Messingelefanten musste ich, da derlei kaum im Gelände zu finden ist, auf einem Floh- oder Antikmarkt kaufen, um das sich durch alle 7 Bilder hinziehende Prinzip einer Rot-Gold-Darstellung einiger Materialien beizubehalten, so wie es bei dem ersten Bild „Der Verlust“ mit dem „Purpurmantel“ des „Königs“ und seinen „goldenen“ „Geldtruhen“-Verschlüssen begonnen worden war. Bei „Santiago“ sind es die bronzierten Angelhaken und rot lackierte Schrauben, bei „Orpheus und Eurydike“ ein neben einem oft benutzten Spazierweg am Rheinufer bei Niederwalluf gefundener Messinggriff, ebenfalls mit rot lackierten Schrauben, bei „Philipp O me“ die unterschiedlichen Objekte im oberen Abschnitt der 2geteilten Gestalt, bei „Der Rat des Fährmanns“ der rote Metalldraht, der den in die Steuerradspeiche eingelegten Messinggriff mit einem darunter angebrachten Messingriegel verbindet, und bei „Elefantenhaus mit Ausblick“ der „goldene“ Elefant, der, wenn er das Haus verlässt, nur an einer Stelle durch den Gehege-Ring auf die 3 rot lackierten Schrauben, die für meine 3 Kinder stehen, blicken kann, und die nur an der unteren (Anfang) und der oberen Kante (Ende) der „Landschaft“ zu erkennen sind.