Erläuterungen zum Bild „Der Clown“

   23 x 65 cm       14.11.1992

„Experten“ habe ich bisher nur fünfmal Bilder gezeigt. Zum ersten Mal  einem Kunstprofessor der Frankfurter Universität und Dozenten an der Fachhochschule Wiesbaden, Prof. Dr. W. Spemann, ein eher kunsthandwerklich ausgerichteter Bildhauer, der am 7.1.1988 (mit Baskenmütze !) in meiner Wohnung alle Bilder begutachtete mit Bemerkungen wie „das ist gut“, „das ist schlecht“, „das  geht“, „das ist nichts“, „das  ist gelungen“, ansonsten aber auf tiefergehende Erörterungen nicht einging und wie ein böser Spuk wieder verschwand.

Das zweite Mal war eine Aufstellung meines Materialbilds „Agent Orange“ im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt (Main) vor dem Arbeitszimmer des Museumdirektors, Prof. Dr. J.- Chr. Ammann, anlässlich seines Geburtstags am 14.1.2000. Er reagierte freundlich mit Brief und einem Aquarell des Bildes, er teilte mir aber neben anderem mit, dass er in seiner  Wohnung das schwere Bild nicht hängen könne, und auch  hier gab es  keine Fragen nach Bildtitel, Anlass und Hintergründen.

Das dritte Mal einer Bildvorführung  fand während der Teilnahme an einem Seminar über Verdun in der Bundesakademie für kulturelle Bildung in Wolfenbüttel vom 8.-10.3.1991 statt (Photo), zu dem ich in einem gemieteten Ford-Transit-Bus meine 5 Verdun-Bilder einschließlich 2er Staffeleien mitbrachte und diese dort aufstellte, wobei mit den Seminarleitern und -teilnehmern nicht über Form und Inhalt der Bilder, aber über den als störend empfundenen Glanz des Klarlacks und über die ehemals an den objets trouvés anhaftenden Bodenreste, Kalksteine und Rostkrusten diskutiert wurde, und mir das gesamte  mehrteilige Seminar, ein totaler Reinfall, eher wie eine Veranstaltung in einer Fortgeschrittenen-Psychiatrie vorkam, was ich auch den Seminarleitern vor und während des Abschiedsfestessens ziemlich deutlich zu verstehen gab.

Als viertes Mal bleibt die Freundschaft mit J. Musolf zu erwähnen, den ich im Winter 1989/90 nach einer Präsentation seiner Werke im Hessischen Fernsehen (in „Atelierbesuche“ von B. Safarik in HR3) angeschrieben hatte. Er war damals Kunsterzieher an einem Frankfurter Gymnasium und wohnte in einem Bauernhof eines Frankfurter Vororts, später in der umgebauten Tiefenbacher Mühle in Braunfels, wo er  seine „subjektiven Objekte“ und Installationen  herstellte. Anlässlich eines gemeinsamen Besuchs einer Ausstellung seines Künstler-Freundes D. Mulch am 6.1.1990 in der Städtischen Galerie in Altena bemerkte er noch hinter verhohlener Hand zu seinem Freund „Der Plass steckt uns alle in den Sack“, dann aber wichen die lange Jahre dauernden gegenseitigen Bewunderungen der Werke einer zunehmenden Entfremdung (ich glaubte, bei ihm die Komponente Neid entdeckt zu haben), sodass ich den Kontakt (nach seiner Ausstellung bei „Pro Familia“ am 4.6.1998 in Wiesbaden) abbrach.

 Das fünfte Mal war ein Besuch im Oberhessischen Museum in Gießen  bei dessen Leiter Dr. F. Häring am 17.12.1992, einer Empfehlung von J. Musolf folgend. Es sollte über die Möglichkeit einer Ausstellung diskutiert werden. Als Beispiel  meiner Materialbilder hatte ich das gerade entstandene Bild „Der Clown“ mitgebracht, allerdings war auch hier die Reaktion vergleichbar derart steril, als hätte ich einem Gießener Gemüsegärtner einen der roten Bauxit-Böden vorgeführt, die während des tropischen Tertiär-Klimas auf Vogelsberg-Basalten der Umgebung Gießens entstanden waren, mit dem Vorschlag, hierauf anstatt seines bisherigen Kohls und Spinats ab sofort Ginseng und Boswellia anzubauen.

 Da die Anstöße zu Ausstellungen meiner Bilder mehr von außen als von mir selbst kamen, blieben mir unbequeme Konfrontationen gleichgültig, zumal ich andere Ziele verfolgte als im Umfeld angenommen, außerdem -- von vielen nicht bemerkt --  im Laufe der damaligen Jahre ein Prozess deutlich  wurde, den K. Fussmann bereits 1985 so formuliert hatte: “Der Maler eines Bildes hat nur noch sekundäre Bedeutung. Meinung und Urteil werden anderswo gemacht. Er wird an den Schaltstellen der Medien ausgesucht, und wer dort Stimme und Einfluss hat, bestimmt das Bild der Kunst“ (K. FUSSMANN: Die Kunst, die sich selbst suchte.-S.91-107 (S.107); in BAYERISCHE AKADEMIE DER SCHÖNEN KÜNSTE (Hrsg.): Ende der Kunst - Zukunft der Kunst.- 136 S.; (Dt. Kunstverlag) München 1985).

Zirkus und Theater habe ich nie gemocht, auch Clowns und Harlekins nicht. Ich habe sie eher bedauert als bewundert: Vor dunklem Publikum derbe Späße zu machen, grell geschminkt, grell gekleidet, grell beleuchtet, im Schweißgeruch der Bühne, im Mistgestank gefangener Tiere, dienten sie jahrhundertelang wie Buntzuckerstreusel der dunklen Palette  und metaphorisch verquält dem Bild des Künstlers als Unterhalter. CAMPBELL verweist auf den gescheiterten Helden: „Ohne dass etwas erreicht wird, gibt es keine Helden. Es gibt auch den Helden, der versagt, aber er wird gewöhnlich als eine Art Clown dargestellt, als einer, der sich mehr anmaßt, als er erreichen kann“ J. CAMPELL, B. MOYERS (2007): Die Kraft der Mythen.- 260 S.(S. 152); (Albatros) Düsseldorf 2007.

 Entscheidend für mich, einen Clown/Harlekin zu thematisieren, war die Erkenntnis, dass er mir im Werk Picassos die Grenze (1924/25) zwischen früherer großer und späterer degenerativer Kunst aufzeigt (so wie auch im Werk anderer eine derartige Grenze erkennbar ist, z. B. bei Kandinsky mit „Kleine Welten“, bei Matisse mit Papier-Schnitt- und -Klebe-Bildern, bei Cézanne mit „Badenden Frauen“), nämlich zu den Werken Picassos, die in Form von Provinzmuseums-Dekor und Safe-Leichen der Neureichen ihr Dasein fristen.

Der Clown wirkt also als Warnung, nicht in eine degenerative Falle abzurutschen, und als Tarnung. Die Bildelemente wurden auf Floh- und Antikmärkten der Umgebung erworben: Das 36mal gelochte („verletzte“) Mittelteil als Corpus, die scharfe Kreissägen-Scheibe als Zirkusarena, die Uniformschulterstücke als die übergroßen Schuhe eines Clowns (und Wanderers), das Ganze im Grunde als Selbstbildnis eines sich um Humanes und Soziales Bemühenden gedacht, allerdings mit dem einschränkenden Hinweis: „Hier ist nicht der Verbandsplatz für die bürgerliche Seele; sondern wir betreten den ästhetischen Raum als Reservat der Authentischen, als Emanzipationswerkstatt, worin der Mensch werden möchte, was er ist“ (P. SLOTERDIJK: Taugenichts kehrt heim oder das Ende eines Alibis.-S.108-136 (S.118) In: Ende der Kunst – Zukunft der Kunst.- s. o.).